C. 144
(GW 5068 105v-107v; GW 5069 96v-98r; Wilhelmi 1.1 Nr. 167)
Mirador should be here!
AN DEN GÖTTLICHEN MAXIMILIAN, DEN GÄNZLICH UNBESIEGBAREN KÖNIG DER RÖMER, ÜBER DIE AUẞERGEWÖHNLICHE HIRSCHKUH, DIE SEINER MAJESTÄT IM JAHRE DES HERRN 1496 GESCHENKT WORDEN IST, EINE ELEGIE VON SEBASTIAN BRANT
AD DIVUM MAXIMILIANUM ROMANORUM REGEM INVICTISSIMUM DE INSIGNI CERVA ILLUSTRISSIMAE SUAE MAIESTATI DONATA ANNO DOMINI MCCCCXCVI ELEGIA SEBASTIANI BRANT
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Transkribierter Text | Übersetzung | ||
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1 | Per te nuper erat, rex invictissime, cervae | Auf deine Anordnung hin, gänzlich unbesiegbarer König, wurde vor Kurzem der Huf | |
2 | Ungula ad Auraniae missa ferenda ducem. | einer Hirschkuh an den Fürsten von Oranien geschickt, um ihn an diesen zu übergeben. | |
3 | Quam vidi, ut nostram lator tuus isset in urbem | Ich habe ihn gesehen, da dein Bote meine Stadt passierte, | |
4 | Mirari et tandem vix potui inde satis: | und konnte seitdem doch kaum genug staunen: | |
5 | Huius pondo quidem semis fuit atque trilibris, | Sein Gewicht betrug nämlich dreieinhalb Pfund, | |
6 | Lata decem digitis, bis quoque longa decem; | er war zehn Finger breit, außerdem zwanzig Finger lang; | |
7 | Credo equidem hanc genitam tum, cum Troiana iuventus | in der Tat glaube ich, dass diese Hindin aus jener Zeit stammen könnte, als die Schar junger Trojaner | |
8 | Illius in Latio vulnere laesit avum, | in Latium ihren Großvater mit einem Pfeil verwundete, | |
9 | Seu tum, quando huius proavum Tirynthius heros | oder von damals, als der tirynthische Heros ihren erzfüßigen | |
10 | Cornibus auratis prenderat aeripedem. | Vorfahren bei den goldenen Hörnern gepackt hatte. | |
11 | Magnus Alexander torques plerisque decoros | Alexander der Große legte vielen Hirschen schmucke | |
12 | Addidit auratos, sivit abire feros; | goldene Halsbänder an und entließ sie in die Wildnis; | |
13 | Qui post centum annos capti cute torque adoperto | als diese hundert Jahre später eingefangen wurden, dokumentierten sie durch die Aufschriften auf | |
14 | Rettulerant scriptis tempora tota suis: | ihren von Haut überwachsenen Halsbändern die ganze Zeitspanne: | |
15 | Usque adeo cervis natura et vivida virtus | Eine solche Stärke liegt in der Natur und der Lebenskraft der Hirsche, | |
16 | Apta quidem multis vivere temporibus. | dass sie über so lange Zeitspannen hinweg leben können. | |
17 | Id quod praeclare cerva haec demonstrat, obeso | Das ist es, was diese Hirschkuh ganz deutlich sichtbar macht, die sie | |
18 | Pectore quae et collo saecula longa refert, | mit ihrer wohlgenährten Brust und dem wohlgenährten Hals ein langes Lebensalter bezeugt; | |
19 | Digna quidem, pro qua nimium commota Diana | gewiss wäre sie es wert gewesen, dass Diana um ihretwillen maßlos erzürnt | |
20 | Res Agamemnonias verteret atque rates. | die Pläne Agamemnons durchkreuzt und seine Schiffe zur Umkehr gezwungen hätte. | |
21 | Illam etenim in Scythicis nutritam montibus aut in | In der Tat könnte man meinen, dass sie in den Bergen Skythiens aufgewachsen ist | |
22 | Carpathio aut Pindo Maenaliove putem, | oder in den Karpaten, auf dem Pindos oder dem Mainalos, | |
23 | Unde et in Hercynium nemus haec delata vagando, | von wo aus es sie dann, als sie so umherstreifte, in den herkynischen Wald verschlug, | |
24 | Capta quoque a canibus et tibi missa procul. | wo sie von den Hunden eingefangen und dir aus der Ferne geschickt wurde. | |
25 | Scilicet id credas, rex et pater optime regum, | Und natürlich sollst du glauben, König und bester Vater der Könige, | |
26 | Plena sit auspicii quod tibi missa pecus: | dass dieses dir zugesandte Tier reich an Vorbedeutungen ist: | |
27 | Nobilius quid enim cervo? Dabit ille profecto | Denn was ist edler als ein Hirschtier? Wie vortrefflich wird es | |
28 | Auguriumque suum quam bene nobilibus! | gewiss den Edlen seine Prophezeiung eröffnen! | |
29 | Nuper et, optime rex, conventum habuisse probaris | Und letzthin, bester König, hast du unter allgemeinem Beifall eine Versammlung | |
30 | Nobiliumque ducum principum et imperii, | mit den adligen Machthabern und Fürsten des Imperiums abgehalten, | |
31 | Qui tibi et imperio sanctum penitusque salubre | die für dich und das Reich unverrückbare und überaus nutzbringende | |
32 | Consilium et iustos constituere modos. | Beschlüsse fassen und gerechte Regeln festlegen. | |
33 | Inventa est medicina quidem, qua vulnera sanet | Es wurde ja ein Heilmittel gefunden, mit welchem jener Waffenträger Jupiters, | |
34 | Armiger ille Iovis, qui fuit hoste lacer, | wenn er vom Feind zerfleischt wurde, seine Wunden heilen kann, | |
35 | Scilicet unguentum fabrefactum, emplastra parata | nämlich eine meisterhaft gefertigte Salbe, ein gut präpariertes Wundpflaster | |
36 | Atque salutari forte malagma manu: | und sogar ein Umschlag durch heilbringende Hand: | |
37 | Cervus ut aegrotat, oleae sibi quaerere ramos | Wenn ein Hirsch krank ist, pflegt er sich Olivenzweige zu suchen | |
38 | Atque esu illius sanus abire solet; | und, durch deren Verzehr geheilt, wieder weiterzuziehen; | |
39 | Extrahit afflatu serpentes cervus ab antris | auch jagt der Hirsch mit einem Fauchen Schlangen aus ihren Höhlen heraus, | |
40 | Et prensos pedibus conterit atque vorat: | und wenn er sie erwischt hat, zertrampelt er sie mit seinen Hufen und verschlingt sie: | |
41 | Si tibi languor inest, angues excire latentes | Wenn du entkräftet bist, dann beginne die verborgenen Schlangen | |
42 | Incipe, rex fortis, contere - sanus eris. | aufzuscheuchen, unerschrockener König, zertritt sie - und du wirst geheilt sein. | |
43 | Frondibus utaris semper virentis olivae: | Du sollst dich stets des grünenden Olivenlaubs bedienen: | |
44 | Bella move, ut pacem possis habere bonam. | Führe Kriege, um den segensreichen Frieden erhalten zu können. | |
45 | Nec timeas vulpis vocem, rex maxime, cervus | Und fürchte dich nicht vor dem Gekläffe des Fuchses, größter König, so wie es der Hirsch | |
46 | Ut solet, atque canum quae nimis ora latrant, | für gewöhnlich tut, und vor den Schnauzen der Hunde, die so wild bellen, | |
47 | Sed cito perge viam pedibus, qua semita monstrat, | sondern setze schnell mit deinen Füßen den Weg fort, den der Pfad dir weist, | |
48 | Quae tibi per medicos facta, reperta, bonos. | den die tüchtigen Ärzte für dich gebahnt und ausfindig gemacht haben. | |
49 | Quod propere ut facias, celeri quoque fine capessas! | O mögest du dich doch damit beeilen und auch den Weg einschlagen, auf dem du das Ziel rasch erreichen kannst! | |
50 | Ad te veloci haec est fera missa pede: | An dich ist dieses schnellfüßige Tier geschickt worden: |